Eine Wildblumenwiese anlegen
Was man vorab sagen muss: Ein Rasen und eine Blumenwiese haben wenig miteinander zu tun. Wiesen sind das Ergebnis von jahrzehnte- oder gar jahrhundertealter bäuerlicher Bewirtschaftungsweise. Es sind Grünlandflächen, die ein- oder zweimal im Jahr gemäht, mäßig mit Stallmist gedüngt wurden, und dadurch einen Bestand haben, der viel weniger dicht und kompakt ist als die heutigen intensiven Grünlandflächen. Blumenwiesen sind so strukturiert, dass die Pflanzen zwar hoch aufwachsen, gleichzeitig kommt viel Licht bis in Bodennähe durch.
Blumenwiese mit Wiesen-Labkraut, Roter Lichtnelke und Klatsch-Mohn
Sobald man, wie es heute in der Landwirtschaft üblich ist, häufiger mäht und folglich mehr düngen muss, hat man den Effekt, dass v. a. Gräser und nährstoffliebende Pflanzen wie Ampfer und Löwenzahn dichter wachsen und so den zarten Magerpflänzchen das Licht fehlt und sie zum Verschwinden bringt.
Genauso führt ein Brachfallen der Wiese, also eine Nutzungsaufgabe, zum Aus dieser kleinen lichtbedürftigen Arten, denn im Herbst fällt der nicht abgemähte Bestand zu Boden und bildet eine dichte, verfilzte Decke.
Eine blumenreiche Wiese zu erschaffen, ist also ein Balanceakt zwischen zu stark genutzt und überhaupt nicht genutzt. Dies zu wissen ist ein Vorteil, wenn wir unseren Rasen oder Teile davon in eine Blumenwiese umwandeln möchten.
Verschiedene Methoden eine Blumenwiese anzulegen
- Das Rasenstück nur noch ein Mal im Jahr mähen, Ende September/Anfang Oktober. Das Mähgut unbedingt abführen! Auf diese Weise wird der Boden langsam abgemagert, und die zarteren Wiesenpflänzchen bekommen, neben dem Gras, eine Chance, zu keimen und zu wachsen.

- Für die Methode, bei der man schneller ans Ziel kommt, braucht man in der Regel schwereres Gerät. Mit Bagger, Fräse oder Schäler entfernt man die Grasnarbe komplett.
Wie schon im Blog-Beitrag „einen Magerstandort anlegen" erwähnt: Die meisten Wiesenblumen lieben einen nährstoffarmen Boden – nur auf diesem mageren Boden haben sie überhaupt eine Chance dem Konkurrenzdruck der Gräser und schnell wachsenden Kräuter der fetten Wiesen standzuhalten.
Es ist eigentlich schon ein Gesetz, wenn man sich unsere Flora anschaut: Je magerer der Standort, desto höher die Artenvielfalt

- Nach der Methode des Schweizers Johannes Burri (daher auch „Burri-Methode” genannt), fräst man das Rasenstück zweimal im Sommer im Abstand von vier Wochen. Nach der ersten Bodenbearbeitung lässt man die Spontanflora keimen und grubbert oder geht mit dem Rechen ein zweites Mal darüber. Hartnäckige Wurzelunkräuter wie Quecke, Distel, Ampfer und Winde müssen manuell entfernt werden. So kommt man zu einem saatfertigen Wildblumenbeet.
Die etwas ausführlichere Beschreibung dieser Methode kann man auch unter www.ufasamen.ch/de/wildblumenwiesen/wertvolle-tipps nachlesen.
Bei sehr nährstoffreichem Boden verteilt man noch 5-10 cm Sand auf der Fläche und mischt ihn unter den offenliegenden Boden.
Ein Hinweis nebenbei: Die meisten Städte haben ein Kompostierwerk, in dem der abgelieferte Grünschnitt der Leute unter kontrollierten Bedingungen kompostiert wird. Man kann hier an zertifizierte, also unkrautfreie Komposterde kommen, die immer ein ideales Aussaatsubstrat ist.
Am Tag der Aussaat nochmal mit dem Rechen drübergehen, damit die Erde schön feinkrümelig wird, oder man bringt die oben erwähnte Komposterde 1-2 cm dick aus, arbeitet sie in die Fläche ein und sät in diese 1-2g/qm Wildkräuter-Saatgut aus. Damit man es hinbekommt diese wenigen Samen gleichmäßig auf der Fläche zu verteilen, mischt man das Saatgut mit Sand oder einem anderen organischen Füllstoff hoch. Diese kleine Saatgutmenge kommt einem sehr wenig vor, aber es ist genau richtig, wenn der Bestand anfangs recht lückig ist. Das sieht im ersten Jahr etwas mickrig aus, trotzdem ist es gut so, weil sich die einzelnen Pflanzen auf diese Weise optimal entwickeln können.
Wichtig: Darauf achten, dass es echtes Wildpflanzen-Saatgut und an die regionale Vegetation angepasst ist. Bezugsquellen dafür stehen am Ende des Beitrags.
Hübsche „Blumenwiesen”-Saatgut-Tütchen aus dem Discounter enthalten meistens sehr viele exotische Arten. Also nicht die Pflanzen, mit denen unsere Tierwelt eine gemeinsame Evolution durchlaufen hat. Sie eignen sich deshalb häufig weder als Pollenspender noch als Raupenfutterpflanzen.
Von hier an geht es in Echt-Zeit weiter ;-)
Ich habe nämlich im November 2020 angefangen ein Stück unserer Rasenfläche als Projekt „Blumenwiese" anzugehen. Es ist so klein gehalten, dass ich es noch gut, also ohne Maschinenaufwand und damit ohne größere Kosten, mit Spaten und Muskeltraining bewerkstelligen konnte.

Ihr könnt jetzt also eins zu eins miterleben wie sich die Versuchsfläche - hoffentlich - mit der Zeit in die gewünschte artenreiche Wildblumenwiese entwickelt.
Das Projekt wird im Jahreslauf immer wieder mit aktuellen Fotos upgedatet - durch Versuch und Irrtum lernen wir bestimmt einiges dazu.

Links von der größeren Fläche (ca. 16qm) habe ich noch einen Versuch mit Streifenansaat vorbereitet. Eine Methode, die häufig auch in der freien Landschaft bei größeren Flächen praktiziert wird. Sie hat ganz einfach den Vorteil, dass man nicht alles auf einmal umbrechen muss und trotzdem mehr Artenreichtum in eine bestehende Wirtschaftswiese gebracht werde kann. Für solche Flächen nimmt man meistens Saatgut ohne Grasanteil oder jedenfalls einem geringerem Anteil an Untergräsern als sonst üblich in Blumenwiesenmischungen.

Auf der vorbereiteten Fläche habe ich, als Aussaatsubstrat, noch eine dünne Decke, ca. 1-2 cm, von oben erwähntem, unkrautfreiem Grünkompost eingearbeitet. An einem schönen Frühlingstag, genau gesagt am Ostersonntag, also dem 4.4.2021, wurden die beiden Flächen dann eingesät.

Nach der Einsaat ist es wichtig, dass die Samen Bodenkontakt bekommen. Bei größeren Flächen muss man mit einer Walze drübergehen, hier auf dieser kleinen bekommt man das genauso gut mit einer umgedrehten Schaufel hin oder man tritt das Saatgut vorsichtig mit den Füßen fest.
In den nächsten Wochen wird es jetzt stark aufs Wetter ankommen, in dem was zu tun ist. Die Ansaat sollte bis zum Auflaufen und in den ersten Wochen danach nicht zu stark austrocknen. Also – entweder es regnet oder ihr müsst zur Gießkanne greifen.

So sah die „Wiese" am 9. Juni aus
Anfang Juni habe ich einen sogenannten Schröpfschnitt gemacht - d. h. ich bin mit hoch gestelltem Rasenmäher über die, wie vorausgesehen, etwas mickrig gewachsene Wiese gefahren. Dies hat den Sinn, dass die schneller hochwachsenden Gräser nicht zu dominant werden.
Ansonsten habe ich, entgegen der Meinung von Johannes Burri, nach dem nämlich kein Unkraut gejätet werden muss, einiges an Löwenzahn, Ferkelkraut und Weißem Gänsefuß rausgezogen.
In den ersten Wochen habe ich ab und zu gewässert, aber bei diesen sintflutartigen Regenfällen in den letzten Wochen ist konnte man das ziemlich bald einstellen.
Soweit der aktuelle Stand - hier gibts, wie gesagt, immer mal wieder ein Update wie sich die Wiese unvorhergesehenermaßen entwickelt - also schön dranbleiben! :)
Literatur:
Haft, Jan: Die Wiese – Lockruf in eine geheimnisvolle Weltpenguin Verlag 2019
Zum Buch gibt es übrigens auch einen phänomenalen Kinofilm
Und was Reinhard Witt zum Thema noch zu sagen hat: www.reinhard-witt.de
12 Fehler beim Anlegen einer Blumenwiese
Bezugsquellen für regionales Wildblumen-Saatgut:
www.rieger-hofmann.dewww.lebensinseln-shop.de (kleinere Quanten von Rieger-Hofmann-Saatgut)
www.syringa-pflanzen.de
www.natur-im-vww.de/bezugsquellen/graeser-und-kraeuter
www.naturgartenvielfalt.de (Kerstin Lüchow)
Titelfoto: Gabriele Lässer auf pixabay