Ein paar Wochen auf der schwedischen Insel Öland
Öland, die zweitgrößte schwedische Insel sieht ein bisschen aus wie ein aus der Nord/Südachse gekipptes Pantoffeltierchen, das man aus dem Biologieunterricht noch gut in Erinnerung hat.
Sehr lang gezogen, sehr schmal. In Zahlen: 137 km in der Längsachse, an der breitesten Stelle von West nach Ost, 16 km. Die höchste Erhebung: 57 m. Man kann also schon sehr früh erkennen, wenn sich jemand zum Kaffee ankündigt.

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Die Ölandsbrücke ist 6.072 m lang und verbindet die Insel mit der Stadt Kalmar auf dem Festland

Für die Pflanzenwelt, um die es hier ja meistens geht, sind die Oberflächengesteine entscheidend. Öland ist eine junge Insel. Gerade mal vor ungefähr 11.000 Jahren dem Meer entstiegen.

Sandstein, Schiefer und vor allem der Kalkstein, zusammen mit dem trocken-sonnigen Klima bestimmen die Landschaft.
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Kalksteinbruch im Nord-Westen der Insel. Im Hintergrund die kleine Insel “Blå Jungfrun", die heute Naturschutzgebiet ist.

Hier sieht es ganz anders aus als im Rest von Schweden: wenig Wald, viel Steppe, mehr afrikanische Savanne als waldiges, seenreiches Småland. Die Temperaturen mal nicht gerechnet.

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Über weite Strecken bestimmt eine karstige Heidelandschaft das Bild, besonders in der gesamten Südhälfte, Infolge der Winderosion, die durch den Mangel an Niederschlag verstärkt wird, ist die Erdauflage nur dünn. Mit Ackerbau in dieser Landschaft zu überleben ist ziemlich schwierig, wie man sich denken kann. Trotzdem gibt es hier eine Ackerbaukultur, die schon um 4000 v. Chr. ihren Ursprung hat.
Die spezielle Landschaft, das sogenannte Stora Alvaret, die aus dieser Bewirtschaftung heraus entstanden ist, gehört seit dem Jahr 2000 zum Weltkulturerbe der Unesco.

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Auf alle Fälle eine Insel, die etwas aus der Welt gefallen ist. Geeignet um die Wuseligkeit des Alltags eine Zeitlang hinter sich zu lassen. Zumindest für ein paar Wochen.

Typisch für Öland sind die vielen Windmühlen. Fließendes Wasser gab es nicht, also mussten sich die Bauern auf den zuverlässig blasenden Wind verlegen. Von den 2000 Bockwindmühlen sind noch ca. 400 erhalten. Es gab Zeiten, da kam auf der Insel auf weniger als 20 Einwohner eine Windmühle. Zum Teil waren sie wohl auch so etwas wie ein Statussymbol.

In einer solch übriggebliebenen Windmühle verbringen wir übrigens unseren Urlaub :-)

Mühle auf Öland

500 Meter geradeaus laufen und man ist am Wasser. An der Ostsee. Jedenfalls in einem Bereich, der weder ganz Wasser noch ganz Land sein will. Man steht dort mitten in den Salzwiesen mit ihrer speziellen, an den Salzgehalt und an wechselnde Wasserstände angepassten Vegetation.

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Strandwiesen, die früher von Schafen, heute fast nur noch von Kühen beweidet werden. Irgendwoher muss die Årla-Milch ja kommen.

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Die Kühe sind alle sehr friedlich. Man kann getrost mitten durch eine ganze Herde hindurch spazieren, wenn der Weg auf der anderen Seite weitergeht. Das sollte man auch, denn sonst kann man jede Wanderung ziemlich schnell abbrechen. Kühe sind hier einfach überall. Im übrigen sind sie wichtige Landschaftspfleger, ohne sie würden die Wiesen ziemlich schnell verbuschen. Vor allem Wacholder und Schlehen wachsen schnell hoch und dann ist es mit der Artenvielfalt nicht mehr so weit her.

Es gibt allerdings auch noch die menschlichen Landschaftspfleger, die in einem bestimmten Turnus immer mal wieder anrücken und Wacholderbüsche im großen Stil mit der Motorsäge entfernen und sie in riesigen Wällen aufschichten. Was am Ende damit geschieht, hab ich noch nicht rausgefunden. Müsste ich mal Kalle fragen, den Bauern im Ruhestand in dem winzigen Dorf, in das es uns verschlagen hat. Der müsste das wissen.

Wo war ich? Achja, bei den Wiesen.

Also, ehrlich gesagt, so ganz anders sehen die hier gar nicht aus als die bei uns zuhause. Vorausgesetzt man stößt hier in Oberschwaben auf eine der seltenen extensiv bewirtschafteten Wiesen oder Weiden. Oder auf Flächen, die im Sinne des Biodiversitätsschutzes wieder extensiv gepflegt, also ein-oder zweimal gemäht und nicht gemulcht werden.
Vor allem muss ich an die Trockenrasen der Schwäbischen Alb denken, wenn ich mich auf der Insel bewege.

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Im Juli schon ganz schön ausgedörrt diese Wiese mit Wilder Möhre und Wiesen-Flockenblume - Regen ist absolute Mangelware auf der Insel


Einmal wieder ein Beleg dafür, dass es der Standort ist, der am Ende entscheidet. Der ist auf der Schwäbischen Alb nämlich ganz ähnlich: Kalkstein mit dünner Humusauflage.

In Landschaftsschutzgebieten auf der Alb werden die Flächen von durchziehenden Wanderschäfern mit ihren Tieren gepflegt, hier meistens von Kühen. Der Effekt ist ähnlich, auch wenn die beiden Tierarten nicht genau die gleichen Pflanzen-Vorlieben haben. Die Landschaft verbuscht nicht so schnell, und die Artenvielfalt ist groß.

Man findet auf Öland natürlich trotzdem ganz unterschiedliche Wiesentypen, je nach Einfluss von Untergrund, Wasserverfügbarkeit und der jeweiligen Pflege und Nutzung. In unserer direkten Umgebung bei der Mühle sind es meistens die mager-trockenen Standorte.

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Sechsfleck-Widderchen (Zygaena filipendulae)

In diesem Beitrag geht es nicht darum vollständige Pflanzenlisten aufzuschreiben. Es sind mehr die einfachen Details, die ich hier exemplarisch rausgreife und zwischendrin mit einem Bild untermale.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Runterfahren, die hier leichter fällt als sonstwo, v.a. leichter als im Gewusel der Städte. Das lässt man beim Pflanzen und Tiere Finden und Bestimmen fast automatisch hinter sich.

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Schlehen-Bürstenspinner (Orgyia antiqua) - kein Wunder bei der Schlehen-Dichte hier

Der nächste Standort nähert sich dem Wasser an. Hier kommt es, in anderen, regenreicheren und stürmischeren Jahreszeiten, zu Überflutungen. Die Pflanzen, die es hier aushalten, müssen also alle einigermaßen salztolerant sein.
Kühe weiden hier trotzdem, und das brackige Wasser scheint sie auch nicht zu stören. Jedenfalls konnte ich ihnen beim Trinken zugesehen.

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Strand-Aster (Tripolium pannonicum)

Richtung Norden, wenn wir den Küstenradweg entlang fahren, verschieben sich die Schwerpunkte in der Zusammensetzung der „Vägkanten". Auf Öland steht die Pflege der Straßenrand-Vegetation ziemlich weit oben bei den Naturschutzmaßnahmen. In anderen Landesteilen habe ich das nicht nicht immer so erlebt,

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Zum Teil gibt es hier dichte Bestände an Wollziest, der mit seinen dicken, filzigen Blättern perfekt an solche mager-trockenen Standorte angepasst ist. Im letzten Jahr habe ich erst zwei Pflänzchen à 3,50 € in der Gärtnerei für mein Magerbeet erstanden. Da käme hier einiges zusammen.

Und von den metallisch glänzenden Rosenkäfern (Cetonia aurata) habe ich in diesem Jahr richtig viele gesehen. Sie mögen es warm, passen also gut zur Sonneninsel Öland. Die Larven finden im verrottenden Holz, von dem es hier reichlich gibt, einen idealen Lebensraum. In Deutschland ist der Rosenkäfer stark gefährdet und ist geschützt. Vielleicht wurde er deshalb im Jahr 2000 zum Käfer des Jahres gekürt. Einfach damit er mal ein bisschen Aufmerksamkeit abbekommt,

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Rosenkäfer im Wilde-Möhre-Bett

Die Mauern aus flachen Kalksteinen, die hier die Insellandschaft prägen sind wie gemacht für all die wärmeliebenden Reptilien. Auf eine Kreuzotter bin ich nicht getreten, obwohl die recht verbreitet sind. Bei den Ringelnattern, die mir im Wasser begegnet sind, hatte ich das Handy nicht zur Hand. Allerdings hab ich auf pixabay eins gefunden, das die Situation fast genauso wiedergibt.
Von den Blindschleichen hab ich traurigerweise nur eine plattgedrückte auf der Straße gesehen :(

grass-snake-3585991_1920.jpg Ringelnatter (Natrix natrix)

Dafür haben mich „fjärils” auf Schritt und Tritt begleitet. Dass allerdings mal ein Zitronenfalter oder ein Bläuling so lange ruhig sitzen blieb, bis ich scharf gestellt hatte, war selten der Fall.

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Kaisermantel (Argynnis paphia) auf Skabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa)

Für die Schmetterlinge ist diese, in weiten Teilen, extensiv kultivierte Landschaft ein idealer Lebnsraum. Vor meiner Abreise aus dem regenintensiven Sommer in Deutschland am 10. Juli habe ich in diesem Jahr kaum überhaupt einen Gaukler der Lüfte beobachten können. Und das in einem naturnahen, recht strukturreichen, nicht so kleinen Garten.

Wenn man sich auf Öland mit der Kamera (diesmal stand nur die Handykamera zur Verfügung, das Auto ist zuhause geblieben, deswegen war nicht viel Gepäck drin) auf Insektensuche begibt, hat man es nicht schwer. Wildbienen, Grashüpfer oder die verschiedensten Käferarten schwirren, hüpfen und krabbeln einem vor die Linse. Man muss nur draufhalten und etwas Geduld mitbringen, damit man sie in der Zehntelsekunde erwischt, in der sie mal stillhalten. Die Schwefelkäfer unten im Bild sind glücklicherweise nicht so quirlig und nervös.

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Schwefelkäfer (Cteniopus sulphureus)

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Waldbock (Spondylis buprestoides)

Im Urlaub lebt man einfacher. Man nimmt sich die Zeit um genauer hinzuschauen. Auf Kleinigkeiten, für die man im Alltag meistens nicht mehr die Muße und Gelassenheit findet. Obwohl man genau weiß, dass es hilfreich ist... bei der Bodenhaftung und beim Atmen.

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