Biodiversität fördern mit Wildpflanzen
Wir sind alle begeistert von buntblühenden Ecken und Wiesen, in denen es nur so summt. Spielt es dabei eine Rolle, welche Pflanzen wir in unseren Garten holen? Hauptsache bunt und eine optische Augenweide?
Ganz so ist es nicht. Richtig ist zwar, dass ein vielfältiger Garten in der Regel attraktiver ist als ein eintöniger mit Rasenflächen und Formschnitthecken drumherum. Trotzdem sind nicht alle Pflanzen gleich gut geeignet um unserer heimischen Tierwelt Nahrung und Lebensraum zu bieten.
Das Stichwort ist “Koevolution”. Im Laufe von vielen Jahrtausenden haben sich Tiere und Pflanzen gemeinsam entwickelt und gegenseitige Abhängigkeiten und Symbiosen entwickelt. Es haben sich sehr viele Spezialisten herausgebildet - die Raupenfutterpflanzen von Schmetterlingen sind ein gutes Beispiel dafür. Schmetterlingsraupen können mit exotischen Arten und auch mit vielen unserer heimischen Wildpflanzenarten, die in Züchtungen hochveredelt wurden, nicht mehr viel anfangen.
Zum Beispiel ist die Raupe vom Schwalbenschwanz auf die Wilde Möhre, (Daucus carota) eine der Stammpflanzen unserer heutigen Karotte, abonniert. Ohne Wilde Möhre keine dieser kunstvoll gestalteten Raupen, ohne diese Raupen keine Schwalbenschwänze. Obwohl die Wilde Möhre bis vor wenigen Jahrzehnten an jedem Wegrand, auf jedem Schuttplatz zu finden war, ist ihre Verbreitung durch die intensive Nutzung unserer Landschaft stark zurückgegangen.
Wer also Biodiversität fördern möchte, der sollte seinen Garten mit einem möglichst hohen Anteil an Wildpflanzen bestücken, und auf diese Weise “Tiere pflanzen”, wie es Ulrike Aufderheide so gut formuliert hat (s. auch Literaturtipps). Von jeder heimischen Pflanze profitieren im Schnitt zehn Tierarten.
Welche Pflanzen sind jetzt besonders geeignet?
Bei den Tieren gibt es einmal die Generalisten, und dann gibt es noch die Wählerischen. Die Generalisten haben es, wie man sich denken kann, einfacher, wenn es darum geht, an Nahrung zu kommen. Sie können sich den Nektar, wie die Honigbiene z. B., von sehr vielen Pflanzenarten holen, häufig sogar von den exotischen.Viele Wildbienen sind etepetete
Anders sieht es für die meisten Wildbienenarten aus, auch für sehr viele Schmetterlingsarten. Deren Raupen und die Falter ernähren sich häufig von einer einzigen Pflanzenfamilie. Ein Beispiel ist die Glockenblumenscherenbiene. Um ihre Brutgänge für den Nachwuchs auszukleiden, braucht sie eine ganze Menge Glockenblumenblüten in der Nähe ihres Nestes. Eine einzelne Pflanze reicht da nicht. Bei den adulten Schmetterlingen ist es ähnlich.Der Kleine Fuchs (Aglais urticae) dagegen ist wenig spezialisiert, er bewohnt viele Lebensräume. Aus diesem Grund ist er sowohl in unseren Gärten als auch in der freien Landschaft noch ziemlich häufig anzutreffen.

Das sind nur wenige Beispiele aus der riesigen Zahl an Tier-/Pflanzen-Paaren, die durch die unglaublich lange Zeit ihrer gemeinsamen Evolutionsgeschichte entstanden sind. Fast pauschal kann man dazu sagen, je länger und ununterbrochener die gemeinsame Evolution andauerte, umso höher der ökologische Wert der Pflanze.
Auch bei Früchte fressenden Vogelarten gibt es jede Menge Beispiele von Sträuchern oder Bäumen, die besonders beliebt sind. Die Eiche (Quercus robur) mit 28 Vogelarten und besonders der Schwarze Holunder (Sambucus nigra) mit 64 Arten liegen da ganz vorne.

Außerdem sind viele Singvogelarten auf Raupen als Nahrungsquelle für die Aufzucht ihrer Jungen angewiesen. Wer also etwas, sowohl für Schmetterlinge als auch für das Zwitschern in unseren Bäumen, tun will, sollte Raupenfutterpflanzen, und möglichst viel davon vor seiner Haustüre anpflanzen. Der beliebte Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii), der aus West-China stammt und dort Trockensteppen besiedelt, ist hier allerdings kein gutes Beispiel. Er scheint zwar als Nektarquelle für die erwachsenen Schmetterlinge geeignet und beliebt - wie der belgische Forscher Yves Desmons herausgefunden hat, ist dies aber keineswegs der Fall. Die Blüten enthalten wenig Nektar, dafür viel Koffein. Davon werden die Schmetterlinge süchtig, gleichzeitig verhungern sie bei der energieaufwendigen Nahrungssuche. Die Folge ist, dass sie sich nicht mehr vermehren. Als Raupenfutterpflanze ist er zudem wertlos. Und ohne nimmersatte Raupen, das wusste Eric Carle schon, leider keine Schmetterlinge.
Auch Blattläuse sind beliebt bei den Küken, das sollte man im Kopf haben, wenn man missmutig die Blattlausplage an seinen frischen Kirschbaumtrieben und den Bohnenpflänzchen betrachtet.

Ökosystem Vorgarten
Das ökologische Regulationssystem funktioniert sicher am besten, wenn wir eine größtmögliche Artenvielfalt zulassen und fördern.Das erste Prinzip dabei ist natürlich, unseren Garten giftfrei zu halten. Das versteht sich fast schon von selber, denn mit dem Gift bringen wir nicht nur das unerwünschte Insekt um, sondern genauso dessen Räuber.

Tiere lieben wilde Ecken
Als nächstes sollten wir evtl. unsere Ordnungswut etwas zügeln. Wenn wir beispielsweise abgestorbenes Staudenmaterial im Herbst auf dem Kompost oder gar in der grünen Tonne entsorgen, vernichten wir damit gleichzeitig Überwinterungsplätze, Puppenstuben für die Larven und Winterfutter für die Vögel.Wildpflanzen in unseren Garten zu bringen ist also nur das eine. Damit ein geschlossener Lebenskreislauf für viele Tiere bei uns im Vorgarten ablaufen kann, braucht es zusätzlich etwas Einsicht in biologisch-ökologische Prozesse und vielleicht etwas Querdenken was die üblichen Gartenkonventionen angeht.
Titelbild: Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) an Berberitzenblüte, pixabay
Literatur
Ulrike Aufderheide: Tiere pflanzen, pala Verlag 2020Paul Westrich: Die Wildbienen Deutschlands, Ulmer Verlag 2019
www.floraweb.de Liste der Schmetterlingspflanzen